Taktik


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Taktik ist nicht nur was für Profis. Auch Amateursportler:innen können Ihr Spiel mit grundlegenden taktischen Überlegungen effektiver und erfolgreicher gestalten. Und auch für manche:n Zuschauer:in von Wettkämpfen mag das Verständnis für Spieltaktiken von Interesse sein, um die Spiele etwas besser zu durchschauen.
Taktiken können für jedes Spielelement entwickelt werden.

Aufschlag

Der Aufschlag ist das einzige Spielelement, auf welches das gegnerische Team keinen Einfluss hat.

Die Aufschlagtechnik, d.h. ob eher hart aufgeschlagen wird oder man versucht, den Ball ins Flattern zu bringen, hängt einerseits natürlich davon ab, was dem:der Gegner:in üblicherweise in der Annahme die größeren Schwierigkeiten bereitet, aber auch von den Windverhältnissen. Beispielsweise bei Gegenwind kann sich ein top-spin routierender Aufschlag schwer kalkulierbar absenken.

Bei der Entscheidung zum Aufschlagziel, d.h. der Position wo der Aufschlag hingehen soll, spielen u.a. folgende Aspekte eine Rolle:

  • die Mitte zwischen den beiden Gegenspieler:innen ist oft gut, da es zu Missverständnissen kommen kann, wer den Ball annimmt
  • eine:r der Gegenspieler:innen ist deutlich schwächer in der Annahme oder im Angriff, deshalb wird diese:r Spieler:in angespielt
  • eine:r der Gegenspieler:innen ist deutlich schwächer im Zuspiel, deshalb wird der:die andere Spieler:in angespielt, der:die dann mit einem ggf. schlechten Zuspiel angreifen muss
  • es wird versucht eine:n der Gegenspieler:innen müde zu spielen, indem der:diejenige viele Aufschläge bekommt, ggf. auch oft kurze Aufschläge, die mehr Bewegung erfordern (zur Annahme nach vorne und dann erstmal wieder zurück um Anlauf für den Angriff zu haben)

Annahme

Für die Annahme steht zunächst die Entscheidung an, welche:r Spieler:in rechts und welche:r links spielt. Wenn Linkshänder:in und Rechtshänder:in zusammenspielen, bietet sich zumeist rechts für den:die Linkshänder:in und entsprechend links für den:die Rechtshänder:in an, weil so in der dann üblichen Angriffsposition der Ball nicht erst die Körperachse überqueren muss, weshalb er sich einfacher schlagen lässt.
Wenn beide Spieler:innen die gleiche Schlaghand nutzen, bietet es sich an, dass der:diejenige Spieler:in die schwierigere Angriffsseite übernimmt, der:die besser off shoulder schlagen und/oder in der Annäherung zum Ball schneller/besser korrigieren kann.

Das Team sollte entweder generell oder vor jedem Aufschlag durch einen kurzen Zuruf klären, wer die Annahme von Aufschlägen in die Mitte zwischen die beiden Spieler:innen übernimmt.

Wenn ein Team über einige Ballwechsel kein erfolgreiches Sideout spielt, ist ein vorübergehender Wechsel der Annahmeseiten eine gute Option, um einerseits den eigenen Kopf und Körper zur Abwechslung vor eine andere Situation zu stellen und andererseits auch um dem Gegner ein anderes Bild zu bieten.

Zuspiel/Angriff

Zuspiel und Angriff müssen besonders gut aufeinander abgestimmt sein, damit zugespielter Ball und Angreifer zeitgleich an einem möglichst idealen Angriffsort zusammentreffen können.

Kaum ein Spielelement ist so variantenreich und entsprechend so schwierig in ein paar wenige Punkte zusammenzufassen wie Zuspiel und Angriff. Nur ein paar Aspekte, die in diesem Zusammenhang taktisch eine Rolle spielen:

  • Nur wenn die Annahme in Nähe des Netzes und der Feldmitte landet ("circle of trust"), entsteht eine Zuspielsituation, die alle Angriffsoptionen offen lässt. Ist die Annahme nicht genau genug ("out of system"), so gilt es oft lediglich die noch bestmögliche Angriffsposition zu erreichen.
  • Wird in der Nähe des Zuspielers:der Zuspielerin angegriffen, hat der Ball eine geringere Distanz zurückzulegen, auf der sich ein ungenaues Zuspiel und/oder der Wind auswirken können, so dass der zugespielte Ball oft präziser ist als über längere Distanzen.
  • Wird in der Feldmitte angegriffen, ist auf beiden Seiten vom Block ausreichend viel Feld, um am Block vorbei ins Feld zu schlagen. Durch die verkürzte Distanz zu den Seitenlinien des Feldes muss ein solcher Schlag allerdings in steilerem Winkel erfolgen.
  • Wird "außen" am Feldrand angegriffen, so kann einerseits ganz gerade entlang der Linie angegriffen werden und andererseits steht die vollständige Diagonale für einen harten (nicht notwendigerweise besonders steilen) Angriff zur Verfügung. Allerdings kann es dem Block in dieser Situation besser als in der Mitte gelingen, eine dieser Optionen zu verhindern.
  • Je weiter sich der:die gegnerische Blockspieler:in entlang des Netzes bewegen muss, um zum Angriffsort zu kommen, desto schlechter wird der Block positioniert sein. Um den Block zu bewegen, muss allerdings Überraschendes gespielt werden, etwa besonders weite und/oder besonders schnelle Zuspiele. Dies wiederum birgt das Risiko von größeren Ungenauigkeiten und einer schlechteren Angriffsposition.
  • Ist der gegnerische Block besonders groß bzw. hat eine große Reichhöhe und kann entsprechend weit übergreifen, ist es sinnvoll, das Zuspiel etwas weiter vom Netz entfernt zu lassen, damit der:die Angreifer:in bessere Möglichkeiten hat, an diesem Block vorbeizuschlagen.
  • Ist die Chance gering, erfolgreich am Block vorbeizuschlagen, kann es sich anbieten, entweder gezielt mit wenig Druck in den Block reinzuschlagen, um den Ball mit den dann wieder weiteren drei Kontakten zu sichern und neu aufzubauen, oder den Block so anzuspielen, dass dieser den Ball unkontrolliert berührt und den Ball anschließend ins "Aus" spielt (in diesem Fall ist es egal, ob der Angriffsschlag ohne den Kontakt vom Block in das Feld geflogen wäre)
  • Insbesondere wenn der:die gegnerische Blockspieler:in Aufschlag hatte und erst ans Netz vorlaufen muss kann es sinnvoll sein, die Annahme so ans Netz zu spielen, dass diese direkt ohne Zuspiel angegriffen werden kann, bevor sich der Block positioniert hat.

Wird nicht eine im Team vorabgestimmte und für beide Spieler:innen selbstverständliche Situation gespielt, so ist es der:die Angreifer:in, der:die nach der Annahme dem:der Zuspieler:in zuruft ("called"), wohin das Zuspiel kommen soll (gängige Calls etwa "bei Dir", "mitte", "außen", "Kopf" (gemeint: über Kopf)).

Nach dem Zuspiel wiederum schaut der:die Zuspieler:in, wie der Gegner positioniert ist und called dem:der Angreifer:in, welcher Feldbereich frei ist und wohin/wie angegriffen werden sollte (gängige Calls etwa "line"/"dia"/"cut", "links"/"rechts", "ohne" (gemeint: ohne Block)).
Dies dient als Hilfestellung für den:die Angreiferin, wird aber regelmäßig ignoriert, wenn der:die Angreifer:in sich sicher ist, dass eine andere Lösung erfolgversprechender ist (oder der call zu spät kam o.a.).

Block-/Feldabwehr

Anfänger:innen oder Teams mit besonders kleinen Spieler:innen verzichten oft auf einen Block und teilen sich das Feld für die Abwehr wie für die Annahme rechts/links auf. Eine:r der Spieler:innen sollte auch in diesem Fall allerdings erstmal in Netznähe absichern, falls das Zuspiel der Gegner bereits knapp das Netz überqueren sollte, und sich erst zurückziehen, wenn klar ist, dass es einen Angriffsschlag geben wird.

Sofern ein Block gestellt wird, ergeben sich viele verschiedene Konstellationen, wie geblockt wird (insbes. welchen Feldbereich der:die Blocker:in abdeckt, so dass dort keine harten Angriffsschläge landen können) und wie sich entsprechend der:die Abwehrspieler:in positioniert, um möglichst viele am Block vorbei oder hoch über den Block geschlagene Bälle erlaufen zu können. Dazu müssen sich beide Spieler:innen entsprechend rechtzeitig situationsbezogen abstimmen. Um dem Gegner keinen Hinweis zur Abwehrtaktik in der jeweiligen Situation zu geben, geschieht dies anders als beim eigenen Angriff nicht über Calls, sondern per Handzeichen hinter dem Rücken (entweder durch den:die Blockspieler:in am Netz oder wenn diese:r Aufschlag hat durch den:die Abwehrspieler:in).
Einige Teams vereinbaren untereinander spezielle Zeichen, es gibt aber einige Standardzeichen, die von den meisten Teams auch mit dieser Bedeutung genutzt werden:

  • Zeigefinger (ein Finger) = der:die Blockspieler:in blockiert die Linie der eigenen Spielfeldhälfte gegen den:die gegnerische:n Angreifer:in, der:die Abwehrspieler:in ist für die diagonale Spielfeldhälfte zuständig
  • Zeigefinger und Mittelfinger (zwei Finger) = der:die Blockspieler:in blockiert die Diagonale der eigenen Spielfeldhälfte gegen den:die gegnerische:n Angreifer:in, der:die Abwehrspieler:in ist für die Spielfeldhälfte entlang der Linie zuständig
  • Daumen und kleiner Finger = der:die Blockspieler:in agiert im Spread-Block, die Arme sind dabei geöffnet und der:die Abwehrspieler:in steht in dem sich ergebenden Raum zwischen den beiden Händen/Armen
  • offene Hand = der:die Blockspieler:in orientiert sich an dem Ball und blockiert die Hauptschlagrichtung des:der Angreifer:in, der:die Abwehrspieler:in startet aus dem Blockschatten und verteidigt gegen Shots
  • Faust = ohne Block, bzw. ein sogenannter Fake Block, der angetäuscht wird, bevor sich der:die Blockspieler:in dann jedoch zur Abwehr ins Feld zurückzieht

Werden in einer Aufschlagsituation die für das Taktikzeichen genutzten Finger der linken oder rechten Hand bewegt, so ist dies üblicherweise ein Ratschlag an den:die aufschlagende:n Mitspieler:in, auf den:die linke:n bzw. rechte:n Gegenspieler:in aufzuschlagen.

Spielunterbrechungen

Spielunterbrechungen können insbesondere hilfreich oder notwendig sein, um sich

  • bei einer Serie verlorener Punkte neu zu fokussieren und/oder den Gegner aus dessen Spielfluss rauszubringen
  • mit dem:der Spielpartner:in taktisch abzusprechen
  • nach besonders langen Ballwechseln oder bei langen Spielen unter anstrengenden Bedingungen wie hohen Temperaturen ein wenig zu erholen

Für solche Zwecke gibt es pro Satz (außer im Tiebreak) eine sogenannte technische Auszeit nach 21 gespielten Punkten und zusätzlich für jedes Team eine taktische Auszeit pro Satz. Auszeiten sind jeweils 30 Sekunden lang. Zwischen den Ballwechseln ist die Zeit bis zum Aufschlag streng limitiert. Daher greifen Teams eventuell zu weiteren taktischen Mitteln wie

  • dem korrekten Ausrichten der das Feld begrenzenden Linien (die vermeintlich nicht ganz gerade lagen)
  • dem Einebnen von Kuhlen (um Stolpern und womöglich Verletzungen vorzubeugen)
  • dem Putzen der Sonnenbrille (die durch Sand oder Schweiß verdreckt/beschlagen war)
  • sofern im Spiel zulässig und im Satz noch verfügbar der Beantragung einer Challenge/Videobeweis (auch wenn die vorangegangene Entscheidung ggf. nicht knapp oder uneindeutig war)

Mit Ausnahme des letzten, regulären Punktes sollten es die Spieler:innen allerdings nicht übertreiben, da bei zu offensichtlicher Nutzung für Spielverzögerungen Verwarnungen durch den:die Schiedsrichter:in ausgesprochen werden können.

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Created by Beachvolleypedia Administrator on 2021/06/07 11:11